Definition: Was ist die Klarnamenpflicht?
Die Klarnamenpflicht legt fest, dass im Internet – auf Plattformen, in Foren wie sozialen Medien, Instagram, Facebook, Twitter, Pinterest etc. – keine Pseudonyme (z.B. “pseudo123”) verwendet werden dürfen. Es müssen in jeglichen Accounts, Kommentaren und Postings die reellen, im Alltag verwendeten Namen – also die wahre Identität – angegeben werden.
Gibt es in Deutschland eine Klarnamenpflicht?
Das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz § 19 äußert sich zum Sachverhalt wie folgt:
“Anbieter von Telemedien haben die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer von Telemedien ist über diese Möglichkeit zu informieren.”
§ 19 TDDDG
Insofern ist in Deutschland grundsätzlich keine Klarnamenpflicht gegeben.
Doch nicht jede Plattform sieht das auch so. Weiterhin äußert sich die europäische Datenschutzgrundverordnung nicht eindeutig zu dem doch sehr relevanten Thema.
Aktuelle Rechtsprechung zur Klarnamenpflicht in Deutschland
- Es liegt in der Entscheidungsfreiheit der Plattformbetreiber, ob sie eine Klarnamenpflicht für ihre Nutzer einführen oder nicht.
- Der Bundesgerichtshof hat 2022 entschieden, dass Betreiber wie Facebook Nutzer auch mit Pseudonymen zulassen müssen, solange keine Klarnamenpflicht in den Nutzungsbedingungen besteht.
- Für bestimmte Online-Dienste wie Glücksspiel oder Geldtransfers kann eine Klarnamenpflicht aus Sicherheitsgründen vorgeschrieben sein.
Gibt es in anderen Ländern eine Klarnamenpflicht?
In den meisten anderen Ländern gibt es ebenfalls keine verpflichtende Klarnamenpflicht für Online-Dienste und soziale Medien. Hier einige Beispiele:
USA
- Es besteht keine gesetzliche Klarnamenpflicht. Plattformen können in ihren Nutzungsbedingungen eine solche vorschreiben, müssen Nutzer mit Pseudonymen aber grundsätzlich zulassen.
- Große Plattformen wie Facebook, Twitter und Reddit erlauben Pseudonyme, verlangen aber oft eine Verifizierung der Accounts.
Europäische Union
- Die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) enthält keine Vorgaben zu einer Klarnamenpflicht.
- Einige Länder wie Großbritannien, Frankreich und die Niederlande haben Gesetzesentwürfe für eine begrenzte Klarnamenpflicht diskutiert, bisher aber keine umgesetzt.
Russland
- 2014 wurde eine Klarnamenpflicht für Blogger mit mehr als 3.000 Lesern pro Tag eingeführt, um eine strengere Kontrolle zu ermöglichen.
- Für normale Nutzer sozialer Medien gilt sie jedoch nicht.
China
- In China müssen sich Nutzer bei vielen Online-Diensten mit ihrem echten Namen und einer Ausweisnummer registrieren.
- Die Klarnamenpflicht soll laut Regierung Hasskommentare und Falschinformationen eindämmen und die Strafverfolgung erleichtern.
Insgesamt ist eine verpflichtende Klarnamenpflicht für das gesamte Internet in den meisten Ländern derzeit kein Thema. Stattdessen setzen viele auf eine Selbstregulierung der Plattformen und gezielte Auskunftsansprüche bei Straftaten.
Missglücktes Beispiel für die Klarnamenpflicht: Südkorea
In Südkorea wurde die Klarnamenpflicht 2007 eingeführt. Zunächst gingen die Hassreden zurück (Statistiken zufolge jedoch nur um 0,9 %), nur um später wieder zuzunehmen. Nun jedoch weitaus subtiler – voraussichtlich auch, um vor Strafverfolgung gefeit zu sein. Fünf Jahre später wurde die Pflicht wieder zurückgenommen und im Nachhinein für verfassungswidrig erklärt.
Doch nicht nur, dass die erhoffte Wirkung ausblieb, der Zwang zog darüber hinaus noch fatale Folgen nach sich: Hacker beschafften sich die nun öffentlich bekannten, persönlichen Daten von 35 Mio. Nutzern über das südkoreanische Internetportal Nate. Es wurden zahlreiche falsche Identitäten verkauft.
Vorteile & Nachteile einer Klarnamenpflicht
Die Debatte um eine mögliche Klarnamenpflicht im Internet ist sehr kontrovers und es gibt gewichtige Argumente auf beiden Seiten:
Argumente für eine Klarnamenpflicht
- Befürworter wie Wolfgang Schäuble (CDU) erhoffen sich durch Klarnamen mehr Hemmschwellen für Hasskommentare und eine Verbesserung der Debattenkultur.
- Strafverfolgungsbehörden könnten Täter leichter identifizieren bei Verstößen wie Beleidigungen oder Volksverhetzung.
Befürworter einer Klarnamenpflicht erhoffen sich, dass sogenannte Internettrolle durch die Preisgabe ihrer wahren Identität von beleidigenden und provozierenden Kommentaren abgehalten werden. Die Hemmschwelle für solches Verhalten soll durch die Nicht-Anonymität erhöht werden.
Nachteile einer Klarnamenpflicht
- Studien zeigen, dass Klarnamen nicht zwingend zu weniger Online-Aggressionen führen.
- Es bestehen datenschutzrechtliche Bedenken hinsichtlich der informationellen Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit.
- Eine Klarnamenpflicht wäre schwer durchsetzbar. Namensdopplungen und Identitätsfälschungen sind nicht auszuschließen.
- Straftaten können auch bei Pseudonymen durch Auskunftsersuchen an Betreiber verfolgt werden, eine Klarnamenpflicht ist dafür nicht zwingend notwendig.
- Die gemäßigte Mitte könnte aus Angst vor Repressalien eher verstummen, während Hassredner ohnehin oft unter Klarnamen agieren.
Pro & Contra: Klarnamenpflicht im Internet
Vorteile | Nachteile |
Eventuell weniger Hassreden / Beleidigungen / Mobbing | Datenmissbrauch / Datendiebstähle möglich |
Bessere Nachverfolgbarkeit von Aggressoren & leichtere Identifizierung der Täter | Whistleblower sowie Personen, die ihre (kontroverse) Meinung vertreten, müssen Shitstorms befürchten und sind leichter angreifbar |
Erhöhen der Hemmschwelle | Jeder wird zum gläsernen Kunden / Nutzer |
Gefährdung der Meinungsfreiheit (Angst vor negativen Auswirkungen auf beispielsweise die Karriere) | |
Risiko von Erpressung und Identitätsklau | |
Entstehung von Mobs / Hetze (mit unschuldigen Opfern) | |
Schutz der Anonymität bei heiklen Themen ist nicht mehr gegeben |
Bringt ein Klarnamenzwang wirklich die erhoffte Wirkung?
Ein Klarnamenzwang soll die Hemmschwelle, andere zu beleidigen oder zu bedrohen, erhöhen. Leider sieht es jedoch so aus, als würde die Pflicht nicht die erhoffte Wirkung bringen. Verschiedenen Studien zufolge führt eine Verpflichtung zu Klarnamen zu keinem klaren Ergebnis. So zeigen sich sowohl erhöhte Aggressivität als auch ein Rückgang an beleidigenden Kommentaren.
Ein möglicher Grund, warum Klarnamen nicht wie im erhofften Ausmaß die Hemmschwelle für Beleidigungen & Co erhöhen, ist voraussichtlich, dass die vorhandene physische Barriere für viele schon ausreicht, um ungehindert ausfallend zu werden.
Schlimmer noch: Durch Klarnamen können Aggressoren für andere glaubwürdiger wirken.
Gibt es Alternativen? – Eingeschränke Klarnamenpflicht am Beispiel Facebook
Alternativ könnte eine Klarnamenpflicht, wie sie im Falle Facebooks (für Nutzer vor 2018) beschlossen wurde, eine Alternative darstellen. So müsste zwar der Klarnamen der Plattform übermittelt werden, jedoch nicht allen Nutzern, die dort tätig sind.
Die Idee einer eingeschränkten Klarnamenpflicht, bei der Nutzer zwar ihren Klarnamen gegenüber der Plattform offenlegen müssen, aber nach außen hin Pseudonyme verwenden können, könnte in der Tat einen Kompromiss darstellen.
Vorteile einer eingeschränkten Klarnamenpflicht:
- Plattformen hätten die Möglichkeit, bei Rechtsverstößen die wahre Identität zu ermitteln und an Behörden weiterzugeben.
- Nutzer könnten aber weiterhin unter Pseudonym diskutieren und ihre Privatsphäre wahren.
- Es wäre ein Mittelweg zwischen völliger Anonymität und einer strikten Klarnamenpflicht.
Nachteile einer eingeschränkten Klarnamenpflicht:
- Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen weiterhin, da Plattformen über persönliche Daten verfügen.
- Bei Datenlecks oder Missbrauch durch Plattformen wären Klarnamen öffentlich.
- Die Durchsetzung und Kontrolle einer solchen Regelung wäre aufwändig.
Das Bundesgerichtshof-Urteil von 2022 hat genau diese Lösung für Facebook-Nutzer vor Mai 2018 bestätigt. Allerdings bleibt die generelle Debatte um Vor- und Nachteile einer (eingeschränkten) Klarnamenpflicht bestehen. Viele Experten sehen die Nachteile wie Persönlichkeitsrechtsverletzungen als zu hoch an und plädieren stattdessen für eine Selbstregulierung der Plattformen und gezielte Auskunftsansprüche bei Straftaten.
Inwiefern würde sich eine solche Pflicht auf Online-Bewertungen auswirken?
- Bewertungen, die mit Klarnamen hinterlassen werden, wären besser nachverfolgbar und die Identität der Bewertenden leichter feststellbar.
- Allerdings sind anonyme Bewertungen nach derzeitiger Rechtslage weiterhin zulässig. Eine Klarnamenpflicht ist dafür nicht zwingend erforderlich.
- Beleidigungen, falsche Tatsachenbehauptungen oder irreführende Bewertungen könnten auch bei anonymen Bewertungen entfernt werden, wenn sie gegen Plattformrichtlinien verstoßen.
- Lesen Sie hier mehr zum Thema: „Google Bewertung anonym verfassen – geht das?“
Sie ärgern sich über eine ebensolche Bewertung? Gerne prüfen wir für Sie kostenlos, ob wir die negative Bewertung entfernen können. 99 von 100 Bewertungen entfernen wir erfolgreich!
Facebook und der Kampf um Klarnamen
Wie hält es Facebook mit Klarnamen?
Seit Gründung war die Verwendung von Klarnamen für Nutzer von Facebook verpflichtend. Auf diesem unausgesprochenem Recht pochte die Plattform (auch nach Klage zweiter Nutzer) zunächst – über diverse Instanzen hinweg:
- 2018 Landgericht Berlin: Entscheidung gegen die Klarnamenpflicht
- 2019 Kammergericht: Entscheidung gegen die Klarnamenpflicht
- 2020 Oberlandesgericht München: Entscheidung für die Klarnamenpflicht
Das abschließende Urteil des Bundesgerichtshofs im Revisionsverfahren Januar 2022 entschied zumindest teilweise gegen die Klarnamenpflicht. Facebook hält diese Entscheidung für überholt.
Ganz unzufrieden sollte die Plattform jedoch nicht sein: Nutzer, die sich neu registrieren, müssen nach wie vor ihren Klarnamen angeben. Andernfalls riskieren sie, bei Nutzung von Pseudonymen von Facebook abgelehnt zu werden.
Kann man bei Facebook die Klarnamenpflicht umgehen?
Ja, das ist teilweise möglich. Mit dem Gerichtsspruch des BGH dürfen Nutzer bei Aktivitäten auf der Social Media Plattform ein Pseudonym verwenden. Gegenüber Facebook selbst muss jedoch der Klarname offengelegt werden.
Diese Ausnahme gilt jedoch nur für Nutzer, die sich vor Mai 2018 bei Facebook registriert haben. Warum? 2018 trat die europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Somit ist die Debatte um die Klarnamenpflicht auch mit diesem Gerichtsspruch nicht endgültig geklärt, bezieht die Verordnung doch keine eindeutige Stellung zu Klarnamen und Pseudonymen.