Klarnamenpflicht: Pro oder Contra?

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Geschrieben von Wolfgang Wittmann

Definition: Was ist die Klarnamenpflicht?

Die Klarnamenpflicht legt fest, dass im Internet – auf Plattformen, in Foren wie sozialen Medien, Instagram, Facebook, Twitter, Pinterest etc. – keine Pseudonyme (z.B. “pseudo123”) verwendet werden dürfen. Es müssen in jeglichen Accounts, Kommentaren und Postings die reellen, im Alltag verwendeten Namen – also die wahre Identität – angegeben werden.

Wie wird in Deutschland mit Klarnamen umgegangen?

Das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz § 19 äußert sich zum Sachverhalt wie folgt: “Anbieter von Telemedien haben die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer von Telemedien ist über diese Möglichkeit zu informieren.”

Insofern sollte in Deutschland grundsätzlich keine Klarnamenpflicht gegeben sein.
Doch nicht jede Plattform sieht das auch so. Weiterhin äußert sich die europäische Datenschutzgrundverordnung nicht eindeutig zu dem doch sehr relevanten Thema.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

In Ländern, in welchen die repressive Regierung Anonymität aus Prinzip nicht zulässt, stellt sich die Frage erst gar nicht. Hierunter fallen beispielsweise Nordkorea oder China.
In den USA hat der Supreme Court hingegen entschieden, dass amerikanische Bürger ein Recht auf Anonymität und somit Pseudonyme haben.
Österreich will zwar keine Klarnamenpflicht, dafür aber ein “digitales Vermummungsverbot”. Hier sind Pseudonyme zwar weiterhin gegeben, aber bei Vergehen ist die Einsicht / Freigabe der Nutzerdaten möglich. Folglich müssen der betreffenden Plattform die Nutzerdaten bekannt sein.

Missglücktes Beispiel für die Klarnamenpflicht: Südkorea

In Südkorea wurde die Klarnamenpflicht 2007 eingeführt. Zunächst gingen die Hassreden  zurück (Statistiken zufolge jedoch nur um 0,9 %), nur um später wieder zuzunehmen. Nun jedoch weitaus subtiler – voraussichtlich auch, um vor Strafverfolgung gefeit zu sein. Fünf Jahre später wurde die Pflicht wieder zurückgenommen und im Nachhinein für verfassungswidrig erklärt.
Doch nicht nur, dass die erhoffte Wirkung ausblieb, der Zwang zog darüber hinaus noch fatale Folgen nach sich: Hacker beschafften sich die nun öffentlich bekannten, persönlichen Daten von 35 Mio. Nutzern über das südkoreanische Internetportal Nate. Es wurden zahlreiche falsche Identitäten verkauft.

Potenzielle Vorteile & Nachteile einer Klarnamenpflicht

VorteileNachteile
Weniger Hassreden / Beleidigungen / MobbingDatenmissbrauch / Datendiebstähle
Bessere Nachverfolgbarkeit von AggressorenWhistleblower sowie Personen, die ihre (kontroverse) Meinung vertreten, müssen Shitstorms befürchten und sind leichter angreifbar
Erhöhte Hemmschwelle Jeder wird zum gläsernen Kunden / Nutzer
Gefährdung der Meinungsfreiheit (Angst vor negativen Auswirkungen auf beispielsweise die Karriere)
Risiko von Erpressung und Identitätsklau
Entstehung von Mobs / Hetze (mit unschuldigen Opfern)
Schutz der Anonymität bei heiklen Themen ist nicht mehr gegeben

Bringt ein Klarnamenzwang wirklich die erhoffte Wirkung?

Ein Klarnamenzwang soll die Hemmschwelle, andere zu beleidigen oder zu bedrohen, erhöhen. Leider sieht es jedoch so aus, als würde die Pflicht nicht die erhoffte Wirkung bringen. Verschiedenen Studien zufolge führt eine Verpflichtung zu Klarnamen zu keinem klaren Ergebnis. So zeigen sich sowohl erhöhte Aggressivität als auch ein Rückgang an beleidigenden Kommentaren.

Ein möglicher Grund, warum Klarnamen nicht wie im erhofften Ausmaß die Hemmschwelle für Beleidigungen & Co erhöhen, ist voraussichtlich, dass die vorhandene physische Barriere für viele schon ausreicht, um ungehindert ausfallend zu werden.
Schlimmer noch: Durch Klarnamen können Aggressoren für andere glaubwürdiger wirken.

Gibt es Alternativen?

Alternativ könnte eine Klarnamenpflicht, wie sie im Falle Facebooks (für Nutzer vor 2018) beschlossen wurde, eine Alternative darstellen. So müsste zwar der Klarnamen der Plattform übermittelt werden, jedoch nicht allen Nutzern, die dort tätig sind.
Ein Restrisiko bleibt. So kann die Plattform die Daten für ihre Zwecke missbrauchen oder diese im Falle eines Hacks gestohlen werden.

Inwiefern würde sich eine solche Pflicht auf Bewertungen auswirken?

Bewertungen, die mit Klarnamen hinterlassen werden, sind natürlich besser nachverfolgbar. Anonyme Bewertungen sind aber zulässig.
Das muss jedoch noch kein Grund für die Klarnamenpflicht sein. Auch anonyme Bewertungen können entfernt werden, wenn sich diese eindeutig nicht auf Ihr Unternehmen beziehen (z.B. Verwechslung), beleidigend oder bedrohend sind oder falsche Tatsachenbehauptungen enthalten.

Sie ärgern sich über eine ebensolche Bewertung? Gerne prüfen wir für Sie kostenlos, ob wir die negative Bewertung entfernen können. 
99 von 100 Bewertungen entfernen wir erfolgreich.

Facebook und der Kampf um Klarnamen

Wie hält es Facebook mit Klarnamen?

Seit Gründung war die Verwendung von Klarnamen für Nutzer von Facebook verpflichtend. Auf diesem unausgesprochenem Recht pochte die Plattform (auch nach Klage zweiter Nutzer) zunächst – über diverse Instanzen hinweg:

  • 2018 Landgericht Berlin: Entscheidung gegen die Klarnamenpflicht
  • 2019 Kammergericht: Entscheidung gegen die Klarnamenpflicht
  • 2020 Oberlandesgericht München: Entscheidung für die Klarnamenpflicht

Das abschließende Urteil des Bundesgerichtshofs im Revisionsverfahren Januar 2022 entschied zumindest teilweise gegen die Klarnamenpflicht. Facebook hält diese Entscheidung für überholt. 

Ganz unzufrieden sollte die Plattform jedoch nicht sein: Nutzer, die sich neu registrieren, müssen nach wie vor ihren Klarnamen angeben. Andernfalls riskieren sie, bei Nutzung von Pseudonymen von Facebook abgelehnt zu werden.

Kann man bei Facebook die Klarnamenpflicht umgehen?

Ja, das ist teilweise möglich. Mit dem Gerichtsspruch des BGH dürfen Nutzer bei Aktivitäten auf der Social Media Plattform ein Pseudonym verwenden. Gegenüber Facebook selbst muss jedoch der Klarname offengelegt werden.

Diese Ausnahme gilt jedoch nur für Nutzer, die sich vor Mai 2018  bei Facebook registriert haben. Warum? 2018 trat die europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Somit ist die Debatte um die Klarnamenpflicht auch mit diesem Gerichtsspruch nicht endgültig geklärt, bezieht die Verordnung doch keine eindeutige Stellung zu Klarnamen und Pseudonymen.

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