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Streisand-Effekt: Was steckt dahinter und lässt er sich vermeiden?

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Geschrieben von Wolfgang Wittmann

Definition: Was ist der Streisand-Effekt?

Der Streisand-Effekt beschreibt folgende Situation: Eine Person möchte die Verbreitung unerwünschter Informationen verhindern. Beim ungeschickten Versuch diese zu vertuschen oder die Verbreitung zu unterbinden, erregt sie jedoch viel ungewollte Aufmerksamkeit. Die Information, die vertuscht werden sollte, wird noch bekannter als es ohne eine solche Reaktion der Fall gewesen wäre. 

Das Internet und soziale Medien wirken hierbei als Katalysator. Jeder im Netz wird zum Presseagenten. Informationen verbreiten sich demnach exponentiell bzw. um ein Vielfaches schneller als früher.

Der Streisand-Effekt bzw. ungeschickte Vertuschungsversuche führen in den meisten Fällen zu einem Imageschaden des betroffenen Unternehmens oder des Promis.

Wie funktioniert der Streisand-Effekt?

Ohne ungeschickte Unterbindungsversuche würden unerwünschte Informationen oft einfach unter den Tisch gefallen. Die Vertuschung selbst jedoch macht die Information noch interessanter. “Schlafende Hunde” werden geweckt.
Es wird das Gegenteil dessen erreicht, was eigentlich beabsichtigt war.   

Umgekehrter Psychologie zufolge verstärkt die Aufforderung etwas zu unterlassen die Motivation das Gegenteil zu tun. Speziell im Internet wird die Unterdrückung von Informationen als Affront aufgefasst.

Doch wie kommt es überhaupt soweit? Der Mensch neigt dazu, unangenehme Informationen zu ignorieren, zu leugnen oder abzustreiten. Viele Unternehmen und Prominente tendieren in dieser Situation dazu, mit juristischen Schritten zu drohen oder selbige einzuleiten.
Das ist zwar verständlich, wirkt jedoch oft überzogen und unprofessionell. Das Verhalten kommt nicht gut an und zieht noch mehr Aufmerksamkeit auf die Situation.

Das Foto des Streisand-Anwesens – so ist es zu der Bezeichnung gekommen

Der Begriff Streisand-Effekt ist der Schauspielerin Barbra Streisand zu verdanken. Diese verklagte 2003 den Fotografen Kenneth Adelman auf Schmerzensgeld, da sie ihre Privatsphäre verletzt sah. 

Kenneth Adelman hatte im Zuge einer Dokumentation zur Küstenerosion 12.000 Fotos von der kalifornischen Küste geschossen. Auf diesen Luftaufnahmen waren unter anderem auch die dort ansässigen Immobilien zu sehen.
Alle Aufnahmen wurden auf pictopia.com veröffentlicht. Zu Barbra Streisands Missfallen zeigte ein Bild darunter das Streisand-Anwesen. Sie forderte die Löschung der Aufnahme und forderte Schmerzensgeld in Millionenhöhe.

Dass es sich bei dieser einen Immobilie um das Streisand-Anwesen handelt, war bis dato jedoch noch unbekannt. Lediglich ein einstelliger Personenkreis interessierte sich für das Bild. Mit der Klage jedoch wurde die breite Masse hellhörig. Über 400.000 Menschen zeigten Interesse am Bild.
Die Schauspielerin erreichte nicht nur, dass sehr viele Personen ihr Zuhause identifizieren konnten, sondern verlor auch den Prozess.

5 Praxisbeispiele aus aller Welt

Das Foto des Streisand-Anwesen ist kein Einzelfall. Folgende Beispiele sind nur 5 vieler unterschiedlicher Streisand-Szenarien:

1. Lego-Videos, die keine sind

Januar 2021 forderte Lego von Thomas Panke die Löschung seiner YouTube Videos, in welchen dieser irrtümlicherweise Bausteine der Konkurrenz als Lego-Bausteine betitelt hatte.
Herr Panke entfernte die Videos, veröffentlichte jedoch das Schreiben seines Anwalts. So machte er die breite Masse auf das Verhalten des Herstellers aufmerksam. Lego geriet mittels negativer Publicity ins Rampenlicht und die Konkurrenzprodukte erreichten mehr Aufmerksamkeit.

2. Blizzard Entertainment und die Proteste in Hongkong

Das Unternehmen Blizzard Entertainment beendete Oktober 2019 den Live-Streams eines E-Sportlers, da dieser im Zuge des Streams sich zu den Protesten in Hongkong geäußert hatte. Der Spieler wurde außerdem für den Wettbewerb gesperrt.
Der Stream erlangte daraufhin breite Aufmerksamkeit. Andere E-Sportler begannen das Unternehmen zu boykottieren und riefen wiederum zum Boykott in Live-Streams auf. Das Unternehmen beendete auch diese Live-Streams, die wiederum dadurch an Popularität gewannen.

3. Böhmermanns Schmähgedicht

2016 trug der Satiriker Jan Böhmermann im Rahmen der Fernsehsendung Neo Magazine Royale ein Schmähgedicht zu Ehren des türkischen Präsidenten Erdogan vor. Dem Schmähgedicht vorausgegangen war, dass Erdogan über den deutschen Außenminister die Löschung des satirischen Liedes “Erdowie, Erdowo, Erdogan” aus der Mediathek des Satiresenders extra 3 verlangte.
Erdogan verklagte Jan Böhmermann und hatte vorläufig Erfolg damit. 75 % des Schmähgedichts wurden verboten.
Das Gedicht erlangte jedoch trotzdem große Bekanntheit. Im Anhang des Gerichtsurteils wurde dieses vollständig veröffentlicht und somit weit verbreitet.

4. Nestles KitKat-Riegel mit Palmöl

Greenpeace kritisierte 2010, dass Nestle zur Herstellung der Kitkat Schokoriegels Palmöl verwendet. Die Gewinnung von Palmöl hat die Zerstörung des Lebensraums diverser Tierarten, u.a. auch dem Orang-Utan, zufolge. Der Umweltschutzverband setzte zur Verdeutlichung ein Video ins Netz, in welchem ein Mann statt in einen KitKat-Riegel in einen blutigen Orang-Utan-Finger beißt.
Die Greenpeace-Kampagne erhielt so viel Resonanz, dass sich Nestle “gezwungen” sah, ihre KitKat-Facebook-Fanpage zu entfernen, auf welcher sich die Kommentare gehäuft hatten.
Das war dann der Startschuss für den eigentlichen Shitstorm. Die Löschung wurde vielfach diskutiert und geteilt, sodass noch mehr Menschen auf die Kampagne aufmerksam wurden.

5. Informanten innerhalb der Deutschen Bahn

2009 veröffentlichte der Blogger Markus Beckedahl unter netzpolitik.org interne Dokumente der Deutschen Bahn. Aus diesen ging hervor, dass sich binnen des Unternehmens anonyme Informanten befinden, die die anderen Mitarbeiter “beobachten”.
Die Deutsche Bahn mahnte Herrn Beckedahl ab. Um ihre Unterstützung zu zeigen veröffentlichen daraufhin andere Blogger das interne Memo, woraufhin dieses große Aufmerksamkeit erreichte.
Die Deutsche Bahn zog nach kurzer Zeit ihre Abmahnung zurück.

Wie geht man mit dem Streisand-Effekt um bzw. wie vermeidet man diesen?

Der Streisand-Effekt kann jeden treffen. Er lässt sich aber durchaus vermeiden oder zumindest klein halten. Dazu sollten Unternehmen wie auch in der Öffentlichkeit stehende Menschen eine Strategie für den Umgang mit sensiblen oder schädlichen Informationen, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, entwickeln. Das Zurückhalten von Informationen kann das Gegenteil erreichen, eine ungeschickte Kommunikation negatives Feedback erreichen.

Es lässt sich durchaus schon früher ansetzen und zwar in dem Moment, bevor die Information an die Öffentlichkeit gelangt. Es gibt sogar Firmen, die das Finden negativer Informationen sowie die Meldung selbiger anbieten. Das verschafft Zeit, sich über eine passende Reaktion klar zu werden. Unter Umständen kann dies auch noch der Zeitpunkt sein, einen Unterlassungsanspruch durchzusetzen. 

Diese Maßnahme sollte jedoch wohl überlegt sein. Es muss eindeutig bekannt sein, inwieweit sich die Information bereits verbreitet hat. Andernfalls geht diese juristische Maßnahme nach hinten los.

Ist die Information schon in der Welt, geht es um Schadensbegrenzung. Bedenken Sie, dass wie Sie auch vorgehen möchten, jede Reaktion eine Gegenreaktion verursacht. Häufig rentiert sich hinsichtlich Ihrer Reputation eine sachliche Reaktion oder überhaupt keine am meisten.

Das gilt auch in den Fällen, bei welchen durchaus Ihre Privatsphäre verletzt wurde und Sie sich durchaus im Recht befinden.

Prinzipiell gibt es das Recht auf Vergessenwerden. Das bedeutet, dass ein Recht auf die Löschung digitaler Informationen bzw. Daten besteht.

Gemäß des europäischen Gerichtshof ist dies jedoch ungültig, wenn der Öffentlichkeit die Informationen “zustehen”. Auch berücksichtigt das Recht auf Vergessenwerden nicht den Umstand, dass sich, wenn sich Informationen bereits verbreitet haben, es dafür meist zu spät ist. Vielmehr verstärken rechtliche Schritte den Streisand-Effekt.

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